Interviews

Das Organisationsteam des TBK 2016 hat drei Aktivistinnen gefragt, welche Hoffnungen und Erwartungen sie mit dem Kongress verbinden. Im Anschluss an diesen wurden die drei erneut interviewt und ihre jeweiligen Sichtweisen auf den Kongress dokumentiert.
Zuerst das aktuelle Interview nach dem Kongress, weiter unten das ältere Interview vor dem Kongress.

Alicia, 39 Jahre alt, ist seit 2013 in der Tierbefreiungsbewegung aktiv und war das erste Mal auf einem Tierbefreiungskongress

Du warst dieses Jahr zum ersten Mal bei einem TBK dabei. Inzwischen sind ein paar Wochen vergangen und die Eindrücke konnten etwas sacken. Erzähl uns doch bitte, wie du die Atmosphäre auf dem TBK 2016 empfandest.

Ja, es war mein erster TBK! 🙂 Noch immer denke ich lebendig und sehnsüchtig daran zurück. Die Atmosphäre hat mich beeindruckt und glücklich gemacht. Sie war entspannend und aufregend zugleich. Neugierig hatte ich mich auf den Weg gemacht und habe beim TBK fantastische Tage mit tollen und lieben Menschen verbracht. Zeitweise stand ich einfach still da und habe die friedvolle, menschenfreundliche und tierleidfreie Umgebung genossen. Egal, ob Sonne oder Regen: Die harmonische Stimmung, die Begeisterung, anregende Gespräche, leckeres Essen, die Burg mit ihren Räumlichkeiten, die interessanten Vorträge von Aktivist*innen … Es war optimal! Ich fühlte mich sicher und beschützt auf dieser Burg mit diesen Menschen. Ich bin jetzt schon gespannt und in Vorfreude auf den nächsten TBK!

Welche deiner Erwartungen an den Kongress wurden erfüllt und welche sind eventuell nicht erfüllt worden?

Da ich ja das erste Mal bei einem TBK dabei gewesen bin, hatte ich wenig konkrete Erwartungen. Zum Inhaltlichen kann ich sagen, dass die Workshops und Vorträge, die ich gerne besuchen wollte, sich teilweise zeitlich überschnitten haben und mir vieles aus den Vorträgen schon bekannt war. Was den Umgang untereinander betrifft, hat das respektvolle Miteinander meine Erwartungen vollends erfüllt. Und von der sehr guten Organisation war ich beeindruckt. Es wurde so vieles geboten und war sehr gut durchdacht.

Welcher Vortrag oder Workshop ist dir besonders in Erinnerung geblieben?

Eher zufällig bin ich in den Vortrag zur Geschichte der Tierrechtsbewegung gegangen, da der von mir zu dieser Zeit eigentlich angestrebte Workshop verschoben werden musste. Die darauf folgenden 90 Minuten waren für mich eine Berg- und Talfahrt. Langjährige Aktive berichteten von Aktionen und Kampagnen sowie teilweise erlittenen Repressionen. Die persönlichen Berichte waren spannend, unfassbar emotional und bewegend für mich. Diese 90 Minuten wirken bei mir bis heute nach.

Das Motto des TBK lautete `Für eine starke Bewegung´. Ist der TBK diesem Motto deiner Meinung nach gerecht geworden?

Während der Zeit auf der Burg Lohra ist der TBK seinem Motto voll gerecht geworden. Für alle Anwesenden war das Ziel eindeutig und alle hatten das selbe. Für die Zeit nach dem TBK hätte ich mir eine engere Verknüpfung gewünscht, da alle schnell wieder in ihrem Alltag waren. Dies ist aber vielleicht auch schwer zu schaffen. Vielleicht wird eine Stärkung der Bewegung durch den TBK 2016 noch zu einem späteren Zeitpunkt deutlich.

Wenn du zurückblickst, gibt es Erfahrungen, die du auf dem Kongress gemacht hast, an die du dich noch lange erinnern wirst?

Während dieser Tage habe ich Raum und Zeit vergessen. Es war wie in einer anderen (besseren) Welt. Ich war mit vertrauten und geliebten Menschen zusammen und habe wunderbare neue Menschen kennen gelernt. Leider ist die Zeit viel zu schnell vergangen. Sie hätte gerne noch andauern können. Die Podiumsdiskussion hat mich zum Nachdenken angeregt und viele Inputs gegeben. So viele erfahrene Aktivist*innen, die sich einig sind, was das Ziel betrifft, und dennoch teilweise unterschiedliche Wege gehen. Es erscheint mir wichtig, dass sich die Bewegung darüber austauschen und sich annähern kann. Ein tolles Erlebnis war auch das Kneipenquiz. Ich empfand es als fröhliche und lockere Art, beisammen zu sein, kurz abgelenkt vom Kampf gegen das Leid. Der Abend hatte eine gewisse Leichtigkeit, obwohl wir uns gleichzeitig inhaltlich beschäftigt und spannende und interessante Fragen beantwortet haben.

Hast du festgestellt, ob sich dein Aktivismus oder deine Sicht auf die Bewegung durch den Kongress verändert hat? Wenn ja, inwiefern?

Mein Aktivismus hat sich durch den Kongress nicht wesentlich verändert, zumindest nicht kurzfristig gesehen. Er wurde aber – wie auch meine Sicht auf die Bewegung – gestärkt und bestärkt. An vielen Orten bewegt sich etwas. Und die Bewegung wird sich irgendwann wieder zusammenfinden und hoffentlich immer stärker werden.

Friederike, 34 Jahre alt, ist seit 2011 in der Tierbefreiungsbewegung aktiv und hat am TBK 2016 teilgenommen sowie auch selbst eine Veranstaltung angeboten

Der TBK 2016 ist nun schon eine Weile her. Du hast nicht nur teilgenommen, sondern auch selbst eine Veranstaltung gestaltet. Wie war die Resonanz auf deinen Workshop und wie beurteilst du ihn selbst im Hinblick auf die von dir damit angestrebten Ziele?

Die Resonanz war erfreulich. Die Diskussion selbst war interessant, hat aber letztlich nicht so viel gebracht, weil sich herausgestellt hat, dass zu viele grundsätzliche Fragen besprochen werden müssten, bevor man zum Beispiel über konkrete Bündnisarbeit diskutieren kann.

Gibt es aus der Sicht als Vortragende Dinge, die hätten besser gemacht werden können?

Organisatorisch hat alles super funktioniert. Ich hätte mir selbst noch besser überlegen können, wie sich die Diskussion am besten gestalten ließe.

Wenn du das Programm des TBK im Gesamten Revue passieren lässt, inwiefern hättest du dir im Nachhinein ein anderes Programm gewünscht? Was hat gefehlt, was hätte besser gemacht werden können?

Ich denke, wir hätten noch mehr und noch fokussierter über Strategien sprechen können, wie wir als Bewegung größer und effektiver werden können. Ich habe aber natürlich auch nur an einem Teil der Veranstaltungen teilgenommen.

Gibt es grundlegende Erkenntnisse, die du vom TBK 2016 (aus Vorträgen, Workshops oder Gesprächen) mitgenommen hast?

In der Vernetzungsrunde zum Thema Fleisch haben wir darüber gesprochen, dass es total nötig und sinnvoll wäre, eine koordinierte größere Kampagne gegen die Tierindustrie zu machen, an der sich mehrere Gruppen beteiligen können. Darüber hatte ich zuvor eine Weile nicht mehr nachgedacht und finde es nun auch wieder sehr wichtig, wobei ich allerdings auch einige Schwierigkeiten sehe. Ich hoffe, dass das Netzwerk Animal Climate Action, in dem ich aktiv bin, zumindest teilweise eine zusammenführende Rolle spielen kann.

Welche deiner Erwartungen an den Kongress wurden erfüllt und welche sind eventuell nicht erfüllt worden?

Ich habe viele Leute wiedergetroffen und neue kennengelernt, was super war. Auch inhaltlich habe ich einiges erfahren. Mehr Austausch über Strategien hätte ich gut gefunden.

Das Motto des TBK lautete `Für eine starke Bewegung´. Ist der TBK diesem Motto deiner Meinung nach gerecht geworden? Warum (nicht)?

Der TBK war auf jeden Fall ein Gewinn für die Bewegung. Wie viel genau er aber zur Stärkung beigetragen hat, kann ich nicht so recht beurteilen.
Sehr sinnvoll waren die verschiedenen Vernetzungsrunden. Ich bin gespannt, was daraus noch entsteht.

Sarah, 27 Jahre alt, ist seit 2007 in der Tierbefreiungsbewegung aktiv und Teil der Organisationsgruppe des TBK 2016

Wie hast du den TBK als Teil des Orga-Teams erlebt?

Einerseits als sehr wuselig und stressig, andererseits aber auch total schön. Es gab wahnsinnig viel zu tun und ich finde, wir waren eigentlich zu wenige Orga-Leute vor Ort. Ständig hat das Walkie-Talkie gefunkt und das weitläufige Gelände hat dann noch seinen Teil dazu beigetragen, dass ich gefühlt eigentlich nur am Hin- und Herlaufen war. Es war aber auch toll zu sehen, dass dann doch alles läuft. Es gab auch einige Teilnehmer*innen, die sich sehr stark in den verschiedenen Schichten eingebunden haben. Das war toll und hat uns sehr entlastet. Schade fand ich lediglich, dass ich selber nur an einem einzigen Workshop komplett teilnehmen konnte. Ich hätte gern noch mehr von den Veranstaltungen mitbekommen.

Haben sich vor Ort (organisatorische) Herausforderungen ergeben, auf
die du nicht vorbereitet gewesen bist?

Am stressigsten habe ich den Anfang erlebt, da es ein paar Missverständnisse mit der Burg gegeben hat, wegen denen wir vor Ort umstrukturieren mussten. Letztendlich hat alles gut funktioniert, aber wenn man nach intensiven Vorbereitungen dann vor Ort plötzlich mit anderen Tatsachen überrascht wird, ist es natürlich erstmal chaotisch. Anstrengend habe ich auch das Ende empfunden, weil man nach den Tagen natürlich auch k.o. war und es noch sehr viel aufzuräumen gab. Aber während des Kongresses selber lief alles ziemlich glatt wie ich finde. Und es ist zum Glück nichts Gravierendes vorgefallen, weswegen wir vom Orga-Team unerwartete Arbeit gehabt hätten, der wir trotz des tollen Kreises an Unterstütze*innen und Helfer*innen vor Ort nicht gewachsen gewesen wären.

Wie hast du die Stimmung vor Ort erlebt?

Die Stimmung vor Ort fand ich im Allgemeinen sehr schön, und sie hat auch viel dazu beigetragen, dass ich trotz dessen es immer was zu tun gab und ich zum Teil an meine körperlichen Grenzen gestoßen bin, mit einem positiven Gefühl aus den Tagen heraus gegangen bin. Natürlich gab es auch mal den einen oder anderen kleineren Konflikt, aber es gab meines Wissens nichts, was nicht geklärt werden konnte. Bei so vielen unterschiedlichen Menschen ist es finde ich nicht selbstverständlich, dass alles so harmonisch abläuft, gerade auch, weil zum Beispiel unser kinderfreundliches Konzept ein ganz neues Experiment gewesen ist. Am ehesten hat es wohl diesbezüglich Meinungsverschiedenheiten gegeben, weil es einigen schwer fiel, sich auf die Veranstaltungen zu konzentrieren, wenn viele Kinder im Raum waren. Es gibt sicherlich noch bessere Lösungen für zukünftige Kongresse anhand dieser Erfahrung. Aber ich sehe das eigentlich recht entspannt: Es ist unser erster Versuch gewesen, Kinder entschieden zu integrieren und dafür ist das alles in allem sehr gut gelaufen. Es gab parallel ein tolles Kinderprogramm und auch sonst viele schöne Events und Abendveranstaltungen, das leckere Essen und die tollen Backkreationen haben auch noch ihren Teil dazu beigetragen. Auch in den Veranstaltungen, in denen ich reingeschaut habe, haben eigentlich immer eine rege Teilhabe und ein konzentriertes Arbeiten stattgefunden und ich hatte den Eindruck, dass das inhaltliche Programm bei den Teilnehmer*innen gut angekommen ist.
Am schönsten habe ich, was die Stimmung betrifft, die Party in Erinnerung, deren Planung wir auf eine andere Gruppe ausgelagert hatten, und die mich dadurch vor Ort sehr positiv überrascht hat.
Und eine schöne Situation war für mich auch am Sonntag, als eine Aktivistin, der ich in einem Schlafraumflur begegnete, als sie zur Abschlussrunde gehen wollte, mir kurzer Hand entschlossen die Putzsachen abnahm und mich aufforderte selber zu der Abschlussrunde zu gehen, während sie an meiner Stelle die Klos putzen würde. Es hätten sich sicherlich bei so vielen Teilnehmer*innen auch noch mehr Leute in die Schichten eintragen können, da es doch an einigen wenigen hängenblieb, aber ich habe trotzdem immer wieder viel gegenseitige Solidarität und spontane Hilfsbereitschaft erfahren.

Konnten aus deiner Sicht die von dir mit dem TBK angestrebten Ziele erreicht werden?

Manches lässt sich wahrscheinlich erst nach einiger Zeit rückblickend sagen. Noch weiß ich nicht, ob die Vernetzungstreffen und neuen Impulse tatsächlich zu neuen Aktionen oder neuen Zusammenschlüssen geführt haben, ob der Input aus den Veranstaltungen das politische Handeln der Gruppen und einzelnen Aktivist*innen verändert hat. Aber was ich an Feedback von Teilnehmer*innen bekommen habe, war fast ausschließlich positiv. Besonders stark bewegt hat mich die Rückmeldung einer Genossin aus England, die dort gerade sehr viel Last zu tragen hat und der unser Kongress viel Kraft und neue Energie gegeben hat. Ich denke, viele von den Samen, die so ein Kongress bei den Leuten sät, sind erstmal gar nicht so sichtbar. Aber ich bin mir sicher – und das wurde auch in der Abschlussrunde deutlich – dass es auch noch vielen anderen so gegangen ist, dass sie mit neuer Motivation aus dem Kongress herausgegangen sind. Und wer weiß, was sich daraus noch entwickeln wird.
Außerdem ging es uns neben dem angebotenen Programm natürlich auch darum, einfach eine Plattform für Begegnung und Austausch zu bieten, und die war und ist einfach immer wichtig und unerlässlich. Ich denke also, in der Hinsicht hat der Kongress auf jeden Fall sein Ziel erreicht.

Das Motto des TBK lautete `Für eine starke Bewegung´. Ist der TBK diesem Motto deiner Meinung nach gerecht geworden?

Das war natürlich ein etwas hochtrabendes Motto! 🙂 Eine Bewegung wird ja nicht allein durch einen viertägigen Kongress zu einer „starken Bewegung“, das hängt viel von den weiteren Entwicklungen und entsprechenden Akteur*innen ab. Aber wir haben mit dem Kongress unseren Teil dazu beigetragen und weiter auf dieses Ziel hingearbeitet. Sei es durch die Aktionstrainings, die wichtige Know-Hows mitgegeben und hoffentlich die Hemmschwelle für eigene Aktionen gesenkt haben, oder durch die vielen Veranstaltungen, die sich eben mit Themen wie Burn-Out, nachhaltigem Aktivismus et cetera beschäftigt haben und hoffentlich dazu beitragen, dass uns die Aktivist*innen, die jetzt Teil unserer Bewegung sind, noch lange erhalten bleiben. Ich selber kann leider nicht so viel zu den Ergebnissen der Veranstaltungen sagen, da ich in der Regel nicht dort war. Aber das Feedback war sehr positiv, gerade weil es durch die Workshop-Strukturen viel Eigenbeteiligung gab und die Teilnehmer*innen an Themen gemeinsam gearbeitet haben. Ich hoffe sehr, dass alle etwas davon mitnehmen konnten!

Kannst du dir vorstellen, auch den nächsten Kongress wieder mitzuorganisieren? Warum beziehungsweise warum nicht?

Für mich kommt das die nächsten zwei Jahre leider nicht in Frage, da ich gerade meinen Master beginne, meine Selbstständigkeit aufbaue und schon mit meinem lokalen Aktivismus am Rand meiner zeitlichen Ressourcen stehe. Das finde ich sehr schade, aber man muss sich eben bewusst machen, dass die Kongressorganisation auch viel Arbeit ist und man sich für ungefähr ein Jahr lang dazu verpflichtet.
Trotzdem kann ich nur dazu aufrufen, sich dieser Aufgabe mal zu stellen, denn man lernt viel dabei und es kommt ja auch jedes Mal etwas mehr Erfahrung dazu, auf die man zurückgreifen kann – gerade wenn man ein paar Leute aus alten Orgas mit im Boot hat. Und, so hart es klingen mag, aber es muss eben auch gemacht werden. Denn ohne Organisator*innen gibt es logischerweise auch keine Kongresse. Mittlerweile gibt es schon viel Vorarbeit, die man sich für eine neue Kongressorganisation zunutze machen kann und ich hoffe sehr, dass an diese Arbeit und Erfahrung weiter angeknüpft wird.
Sobald ich wieder etwas Luft habe, kann ich mir auch gut vorstellen, so etwas mit einer ähnlich tollen Gruppe wie bei diesem Mal erneut zu machen!

VOR DEM KONGRESS

Sarah, 27 Jahre alt, ist seit 2007 in der Tierbefreiungsbewegung aktiv und Teil der Organisationsgruppe des TBK 2016

Du bist Teil vom Orgateam des TBK 2016. Was motiviert dich, aktiv an der Vorbereitung und Durchführung des TBK mitzuwirken?

Ich habe solche Kongresse selber meistens als sehr inspirierend und kraftgebend empfunden. Seit ich aktiv bin, war ich auf zwei Tierbefreiungskongressen und drei internationalen Gatherings, und bin fast jedes Mal noch viel motivierter aus ihnen herausgegangen. Es ist schön, dort mit so vielen engagierten und oft auch sehr erfahrenen AktivistInnen zusammenzukommen, von anderen Projekten und Kampagnen zu hören und sich auszutauschen. Und nicht nur für jeden einzelnen persönlich, sondern auch für die Bewegung in Deutschland und international sind solche Kongresse meiner Meinung nach unerlässlich. Die Ziele der Tierbefreiungsbewegung können ohne den direkten Austausch untereinander, die gegenseitige Weiterbildung und die bundesweite und internationale Unterstützung kaum erreicht werden. Und weil Kongresse oft genug schon an mangelnden OrganisatorInnen gescheitert sind, finde ich es wichtig, mich dort einzusetzen und Zeit und Arbeit für einen neuen Kongress in diesem Jahr zu investieren. Nebenbei macht es übrigens auch echt Spaß in so einer tollen Gruppe dabei sein zu dürfen, und man lernt viel Organisatorisches dazu!

Wenn du auf den kommenden Kongress schaust: Welche konkreten Ziele verfolgst du damit? Wovon hoffst du, dass es durch den Kongress erreicht werden wird?

Ich wünsche mir, dass wieder viele alteingesessene AktivistInnen auf den Kongress kommen und freue mich sehr darauf, bekannte Gesichter zu treffen. Ich hoffe aber auch, dass Leute den Weg nach Thüringen auf sich nehmen, die vielleicht noch nicht so lange dabei sind und sich dadurch vielleicht das erste Mal in diesem Rahmen mit den Belangen der Bewegung auseinandersetzen. Wir haben leider – wie wohl jede soziale Bewegung – mit viel Fluktuation zu kämpfen, und da ist es nicht nur wichtig, das auf Kongressen zu thematisieren und ihr mit konkreten Problemlösungsstrategien entgegenzuwirken, sondern auch, neue Leute einzubinden und neue Netzwerke aufzubauen, wo andere wegbrechen. Vor allem finde ich es auch sehr wichtig, sich persönlich zu begegnen, anstatt immer nur über Mailinglisten zu kommunizieren. Auch Konflikte, die sich im Laufe der Zeit immer mal wieder innerhalb der Bewegung oder durch externe Strukturen aufbauen, haben durch solche Begegnungsstätten viel mehr Potenzial geklärt zu werden.

Ich glaube daher, dass der Kongress dieses Jahr sehr spannend wird!

Wir werden ihn thematisch klar strukturieren und viele wichtige Themen angehen, die allesamt das Ziel haben, die Bewegung zu stärken und voranzubringen. Aber dazu später mehr. Persönlich erhoffe ich mir neben ein paar neuen Erkenntnissen auch einen eigenen Auftrieb, weil ich mich doch immer zu leicht in meiner eigenen (Lohn-)Arbeit verliere und eine Demo bei schlechtem Wetter gerne mal absage. Nach solchen Kongress stürze ich mich dann jedes Mal wieder viel motivierter in die nächste Kampagne und das tut nicht nur mir gut, sondern auch „der Sache“.

Wie haben die bisherigen Tierbefreiungskongresse deiner Ansicht nach die Bewegung beeinflusst?

Man kann wohl nicht mit Gewissheit sagen, wo die Bewegung jetzt ohne diese Kongresse wäre, aber ich bin mir sicher, dass sie ein ganzes Stück hinterher hinken würde. Gruppen aus unterschiedlichen Städten würden vielleicht isolierter voneinander arbeiten oder dieselben Fehler wiederholen, weil Orte fehlen, an denen diese Erfahrungen weitergegeben werden können. Natürlich gibt es auch anderweitige Begegnungsorte, wie Veranstaltungen, Voküs oder Vernetzungstreffen auf Großdemos, aber für intensive Auseinandersetzungen mit der eigenen Bewegung ist dort einfach kein Raum.

Ich denke, solche Kongresse helfen, sich der eigenen politischen Arbeit nochmal bewusster zu werden und sie eben in einem größeren Kontext zu sehen. Sie fördern eine ernstere Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen und Strategien und auch ein Bewusstsein dafür, Teil von etwas größerem zu sein, der tatsächlich etwas bewirken kann.

Die Vielfalt der verschiedenen Themen, die auf den Kongressen in der Regel angegangen werden – das Aktionstraining, die Vernetzungsphasen, die direkte Weitergabe von Erfahrungen, die Vorstellungen neuer Bündnisse und Kampagnen, die Workshops, kontroversen Diskussionen und theoretischen Auseinandersetzungen – all das schafft einen großen Pool an neuen Fertigkeiten, neuem Wissen und neuen Strategien, auf den alle Zugang haben können. Außerdem entsteht viel Raum für Reflexion und Selbstkritik – wo wäre eine Bewegung ohne diese Dinge?

Wieso habt ihr euch für das Motto `Für eine starke Bewegung´ entschieden?

Weil genau das letztendlich das große Ziel ist: Die Bewegung zu stärken. Aber dafür gibt es natürlich kein einfaches Rezept, sondern vielmehr heißt es, dass wir die Struktur des Kongresses und die verschiedenen Programmpunkt sehr genau auswählen vor dem Hintergrund ihrer Sinnhaftigkeit und Relevanz für die Tierbefreiungsbewegung. So wird es beispielsweise weniger einführende Vorträge geben und auch möglichst wenig frontale, trockene Wissensvermittlung, sondern vermehrt Workshops und Diskussionsrunden, die auf bereits vorhandenem Wissen aufbauen und den gemeinsamen Austausch anregen. Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch Neulinge viel davon haben werden, aber wir wollen es vermeiden, dass sich das Programm der Kongresse jedes Mal wiederholt. Was die Struktur betrifft, orientieren wir uns außerdem sehr an dem Kongress von 2012, wo es auch klare Programmstränge zu einzelnen Themen gab. Die drei Kernthemen für den Kongress werden „Profil“, „Strategien“ und „Struktur“ der Bewegung sein, und darunter gliedern wir dann die verschiedenen Veranstaltungen.

Auch wollen wir unter anderem einen Fokus auf bewegungsübergreifende Themen legen und unsere eignen Kämpfe mit denen aus anderen Bewegungen verknüpfen. So wird es beispielsweise auch um antirassistische Arbeit von Seiten der TierbefreiungsaktivistInnen gehen oder um den Zusammenhang von Tierbefreiung und Klimawandel, um nur zwei Beispiele zu nennen. Ihr dürft auf jeden Fall sehr gespannt sein!

Welchen Stellenwert räumst du dem Tierbefreiungskongress für die Bewegung ein? Warum braucht es den Kongress?

Wie bereits gesagt, bieten Kongresse eine ideale Gelegenheit, miteinander überregional in Kontakt zu treten, relevante Fragen der Bewegung zu diskutieren und Wissen einfach und effektiv weiterzugeben. Unsere Erfahrung im Orgateam, aber auch das Feedback vieler Teilnehmenden vergangener Kongresse bestätigen dies. Wir würden uns wünschen, wenn auch in Zukunft in regelmäßigen Abständen Kongresse organisiert werden, um die entsprechende Konstanz in der Zusammenarbeit zu halten.

Du warst bereits bei vorherigen Kongressen dabei. Gibt es etwas, was dir an den bisherigen Kongressen nicht gefallen hat und von dem du der Meinung bist, dass ihr das dieses Jahr anders macht?

Verbessern kann man sicherlich immer etwas, auch wenn ich die Kongresse von 2009 und 2010 als sehr ergebnisreich und positiv empfunden habe. Was auf jeden Fall optimiert werden kann – und was wir auch optimieren wollen – ist der Umgang mit Barrierefreiheit auf den Kongressen. Die Burg Lohra ist natürlich in gewisser Weise an sich schon eine Barriere, aber wir wollen dieses Mal verstärkt allen AktivistInnen ermöglichen, teilhaben zu können. Es wird DolmetscherInnen für Gebärdensprechende geben und wir haben einen Seminarraum, der ebenerdig ist. Und auch die Teilnahme von AktivistInnen mit Kindern wollen wir stärker fördern als auf vorherigen Kongressen, indem wir ein Kinderprogramm planen, sofern Bedarf daran besteht. Es wird dann zum Beispiel auch eine Veranstaltung geben, in der über die Möglichkeiten eines aktivistischen Alltags mit Kindern gesprochen wird und Erfahrungen darüber ausgetauscht werden können. Wir hoffen auf jeden Fall, dass sich dieses Jahr wieder ganz viele von euch motiviert fühlen die kleine Anreise auf sich zu nehmen – es wird sich auf jeden Fall lohnen!

 

Friederike, 34 Jahre alt, ist seit 2011 in der Tierbefreiungsbewegung aktiv und wird auf dem TBK 2016 eine Veranstaltung anbieten

Du wurdest vom Orgateam des TBK angefragt, einen Workshop zu halten. Was hat dich bewogen, die Einladung anzunehmen?

Ich wollte sowieso am Kongress teilnehmen und freue mich, auch etwas beitragen zu können.

Welche Wirkung erhoffst du dir von deinem Beitrag, was glaubst du, können die Teilnehmenden für ihre praktische Arbeit oder ihr theoretisches Wissen mitnehmen?

Der genaue Inhalt des Workshops steht noch nicht fest, deshalb kann ich es nicht so sagen – wahrscheinlich wird es um Möglichkeiten gehen, verschiedene Themen mit dem Thema der Tierausbeutung zu verbinden und so auch Bündnisse mit anderen Bewegungen zu erreichen. Davon würde ich mir erhoffen, dass mehr Aktivist*innen die Wichtigkeit solcher Bündnisse erkennen, vielleicht ihre praktische Arbeit in diesem Sinne verändern und dafür auch Anregungen bekommen.

Was für Hoffnungen und Erwartungen stellst du an den Kongress? Wie soll er werden, damit er für dich lohnenswert wird?

Ich hoffe, dass viele Aktive aus der Bewegung kommen und es Veranstaltungen gibt für Kennenlernen und Vernetzung, für Wissens- und Fähigkeitenweitergabe sowie für Austausch und Diskussion über Ziele und Strategien der Bewegung. Auf diese Weise hoffe ich für mich, dass ich

neue Menschen kennenlerne und meine eigene Sicht weiterentwickle. Für die Bewegung insgesamt hoffe ich, dass der Kongress die Arbeit der einzelnen Gruppen verbessert, die Zusammenarbeit befördert und am besten auch die Motivation aller erhöht.

Du warst ja bereits bei anderen Kongressen der Tierbefreiungsbewegung. Kannst du mir von einer Situation erzählen, die dir ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ich war bisher nur bei den Tierbefreiungstagen in Hamburg 2012 und bei einem Kongress in Potsdam 2013. Von Hamburg erinnere mich an besonders an Workshop-Diskussionen über das Profil der Tierbefreiungsbewegung und eine Essenstisch-Diskussion über die Legitimität von Gewalt. Bei Potsdam denke ich an ein Tisch-Gespräch über identitäre Tendenzen bei Veganer*innen und Tierbefreiungsgruppen.

Wenn du auf deine Kongresserfahrungen zurückblickst – gibt es Dinge, die du dort erfahren, erlebt oder gelernt hast, die deinen Aktivismus oder deinen Blick auf die Tierrechtsbewegung nachhaltig verändert haben?

Ich denke, das Wichtigste waren immer die konkreten Kontakte zu bestimmten Leuten, die meinen Aktivismus beeinflusst haben, nicht einzelne Veranstaltungen. Mein Blick auf die Bewegung hat sich aber durch die Tierbefreiungstage in Hamburg schon verändert, glaube ich. Ich war zu dem Zeitpunkt noch nicht in einer Gruppe aktiv und hatte zuvor nur an einzelnen Aktionen und Demos teilgenommen. In einer Veranstaltung fiel der Satz: „Die Tierbefreiungsbewegung will die Gesellschaft grundlegend verändern“, und ich habe mich – recht skeptisch – gefragt, ob ich das auch will und ob diese Bewegung zu mir passt. Mittlerweile würde ich es selbst genauso beschreiben und kann mich voll damit identifizieren

Wenn du dir die aktuelle Tierbefreiungsbewegung in Deutschland oder in deiner Region anschaust – welche Probleme in Bezug auf Strukturen und Diskussionen siehst du, von denen du hoffst, dass sie beim Kongress behandelt und bestenfalls überwunden werden?

Thematisiert werden sollten aus meiner Sicht unter anderem die Strategien der Bewegung und die sinnvolle Wahl von Aktions- und Zwischenzielen – wir können effektiver werden. Außerdem sollten die Möglichkeiten der Vernetzung und Bündnispolitik mit anderen linken Bewegungen behandelt werden – wir sollten stärker mit anderen zusammenarbeiten. Darüber hinaus sollten die Möglichkeiten und Methoden zur Politisierung von Leuten und Mobilisierung weiterer Aktivist*innen thematisiert werden – wir müssen mehr werden – sowie der Umgang mit Rechtsoffenheit, Querfront und Verschwörung und damit zusammenhängend die bewegungsinterne Diskussions- und Konfliktkultur – wir brauchen ein klares Profil, dürfen uns aber nicht gegenseitig zerlegen.

 

Alicia, 39 Jahre alt, ist seit 2013 in der Tierbefreiungsbewegung aktiv und will am TBK 2016 teilnehmen

Wie hast du vom Kongress erfahren und was hat dich zu dem Entschluss bewogen, am Kongress teilzunehmen?

Ich habe über Tierbefreiung Hamburg bei Facebook und durch einen Flyer von dem Kongress erfahren. Mein erster Impuls war: „Yeah, das ist gut! Dort erfahre ich mehr, komme weiter und fühle mich sicher. Dort bin ich unter Gleichgesinnten.“ Dazu hat mich das Ambiente der Burg Lohra total angesprochen.

Was für Hoffnungen und Erwartungen stellst du an den Kongress? Wie soll er werden, damit er für dich lohnenswert sein wird?

Ich hoffe, auf dem TBK auf eine entspannte und zugleich emotionsgeladene Atmosphäre zu treffen. Ich wünsche mir, dass wir uns miteinander wohlfühlen, lehrreiche Workshops und Vorträge erleben und dass ein reger Erfahrungsaustausch entsteht. Da auf Demonstrationen und anderen Aktionen oft keine Ruhe dafür ist, hoffe ich außerdem auf Zeit für tiefergehende Gespräche.

Der TBK 2016 wird ja dein erster Tierbefreiungskongress sein. Gibt es einen bestimmten Themenbereich, der dich besonders interessiert und von dem du hoffst, dort etwas darüber zu lenen? Wenn ja, was?

Ein besonders interessanter Themenbereich ist für mich ziviler Ungehorsam: Wie verhalte ich mich strategisch richtig gegenüber der Polizei? Muss ich Auflagen und Ansagen sofort befolgen oder welche Möglichkeiten habe ich? Was sind meine Rechte und was eventuelle rechtliche Konsequenzen?

Du fährst zusammen mit anderen AktivistInnen deiner Gruppe zum Kongress. Inwiefern hoffst du, dass der Kongress eure Zusammenarbeit als Gruppe verändert?

Wir sind eine kleine überschaubare Gruppe und agieren sehr gut miteinander. Dennoch benötigen wir mehr Sicherheit und Wissen in Bezug auf gesetzliche Grundlagen (Wo können wir ansetzen? Welche Rechte haben wir? Wer kann uns wo weiterhelfen? Wie kommen wir voran?), welches wir sicher auf dem TBK bekommen werden.

Wenn du dir die aktuelle Tierbefreiungsbewegung in Deutschland oder in deiner Region anschaust: Welche Probleme in Bezug auf Strukturen und Diskussionen siehst du, von denen du hoffst, dass sie beim Kongress behandelt und bestenfalls überwunden werden?

Ein Problem der Bewegung sehe ich darin, dass sich zu wenig Menschen mit der Bewegung identifizieren. Ich wünsche mir eine bundesweite Vernetzung, um die Bewegung zu stärken. Ein weiteres Problem ist die Fluktuation in der Bewegung. Viele Menschen sind nur eine zeitlang dabei und verstummen danach wieder – aus unterschiedlichen Beweggründen. Es ist allerdings ein langer Weg zum Ziel. Daher müssen wir unsere Strukturen stärken und versuchen, die Menschen in der Bewegung zu halten.